„Braun-Feldweg ist einer der produktivsten Gestalter-Autoren. Ein großer Stilist, stets skrupulös und elegant um Sprache bemüht, bis nichts Zufälliges, Unbeabsichtigtes mehr den Begriff oder Ausdruck beeinträchtigt. Ein Sprachhandwerker im Sinne seiner eigenen Auffassung und Wertschätzung von Handwerk. Gegenüber den Studenten äußert er mehrfach seine Hoffnung (und seinen Wunsch), daß doch einer wenigstens das Talent und Interesse besitzen möge, um als Schreiber in Sachen Design zu reüssieren. Versuche, diese möglicherweise schlummernde Begabung bei dem einen oder anderen zu wecken, unternimmt er hie und da. Er läßt Artikel und Aufsätze schreiben, Reflexionen über die eigenen beruflichen Perspektiven und anderes mehr. Er unterzieht sich tapfer und vermutlich tränenden Auges der Lektüre linkischer Textbrocken. Allein, es bleibt ein ebenso frommer wie unerfüllter Wunsch. Es werden papers geschrieben, Abhandlungen über Ist- und Sollzustände verfaßt, aber kein feuilletonistischer Essay, nirgends […]“
Egon Chemaitis
Der Wilhelm Braun-Feldweg Förderpreis, der jährlich verliehen wird, wurde für Design-Studierende und -Absolventen deutschsprachiger Hochschulen ausgelobt, die einen inhaltlichen und stilistischen Beitrag zu einem Designdiskurs leisten, indem sie schreibend
_ ein tieferes Verständnis der Disziplin Design innerhalb des Fachs und der Öffentlichkeit herstellen helfen,
_ ein aktuelles Problemfeld wirklichkeitsnah und verständlich darstellen,
_ die Beziehung von Design und Gesellschaft in Gegenwart oder Zukunft untersuchen und ausleuchten,
_ einer brisanten Fragestellung couragiert und inspirierend nachgehen.
Die deutliche Abgrenzung zu Produktdesign-Förderpreisen ist seitens der Auslober aus verschiedenen Gründen gewollt. Ausschlaggebend für die Ausrichtung des Wilhelm Braun-Feldweg Förderpreises zum Wort ist das Werk des Namensgebers. „In Worten Klarheit zu suchen oder Rechenschaft zu geben“, war Wilhelm Braun-Feldweg (1908-1998) ein selbstverständliches Bedürfnis. Daraus erwuchs ein umfangreiches schriftstellerisches Werk, dem man gewiss nicht Unrecht tut, wenn man es als Zumutung begreift. Überzeugt von der „Notwendigkeit, im technischen Zeitalter das Menschliche zu bewahren“, versuchte Braun-Feldweg die schöpferischen Impulse des Einzelnen zu stärken und forderte unermüdlich die Selbstreflexion des im Schaffensprozess stehenden Menschen ein.
„Jeder Hand-Werker, ob er nun malt, einen Stuhl baut oder junge Bäume pflanzt, tritt von Zeit zu Zeit zurück, um Abstand von seinem Tun und ein Urteil zu gewinnen. Er kritisiert sich selber, und um dies recht tun zu können, versucht er, die eigene Arbeit als etwas Fremdes und als Unbeteiligter zu sehen. Nicht viel anders läßt sich das Bedürfnis eines dem Werkstoff und der Werkform verhafteten Menschen rechtfertigen, der hin und wieder zwar nicht die Feder, aber die Schreibmaschinentasten bewegt, um seine Gedanken am Sichtbaren und das Sichtbare an seinen Vorstellungen zu messen. Er distanziert sich, vergleicht und sucht Bestätigung sowohl wie Korrektur in Anschauungen, die er als übergeordnet und verpflichtend zu erkennen glaubt.“
Die Vita Wilhelm Braun-Feldwegs weist neben der des Designers zahlreiche Tätigkeiten aus, die er der Reihe nach oder auch nebenbei ausübte. Als einen „dem Werkstoff und der Werkform verhafteten Menschen“ hatte er seine Umwelt vor allem unter handwerklichen Gesichtspunkten zu betrachten. Dass ihm dies, der sein Handwerk von der Pike auf gelernt hatte, im Zeitalter der technischen Reproduzierbarkeit nicht immer reines Vergnügen bereiten konnte, versteht sich von selbst. Da am Anfang eines Produktionsprozesses immer das Einzelstück stehe, musste Braun-Feldweg das, „was aus neuen bildsamen Werkstoffen in einem vollständig industrialisierten Erzeugungsprozeß massenhaft […], aber völlig ungeformt auf den Markt geworfen wird“, die Aufgabe des eigenverantwortlichen Menschen bedeuten. Freundliche Töne in Braun-Feldwegs Analysen aus den Wirtschaftswunderjahren sind eher Mangelware.
Er kritisiert das „Herstellen um seiner selbst willen“, er warnt vor „einer zerflatternden Betriebsamkeit“ und fordert, sich dem normativen Denken der Industrie nicht widerspruchslos hinzugeben. Der Designer, „auf Gedeih und Verderb vom wirtschaftlichen Erfolg seiner Schöpfungen abhängig“, stehe „ständig in Gefahr, einer künstlerischen Korruption zu verfallen“. Damit „der lebendige Mensch dem leblosen, von ihm erzeugten Ding sein eigenes Wesen aufpräge“, genüge es nicht, „ihm Zeichen eines individuellen Empfindens oberflächlich anhängen“ – usw.
Die Sorge vor der Kollektivierung, dem Ameisenstaat, der Herrschaft des rein Funktionellen, die zum Tenor der intellektuellen Auseinandersetzungen der 50er Jahre gehörte und die auch Braun-Feldweg umtrieb, ist uns fremd geworden und mag den wenigsten noch nachvollziehbar sein. Was in diesem Zusammenhang interessiert, ist das leidenschaftliche Bemühen Braun-Feldwegs, durch sachliche oder polemische Stellungnahme zu diesem und jenem Problem eine Diskussion anzuregen, die „einer fast unbemerkten und vom öffentlichen Interesse nicht verwöhnten Arbeit“ galt. Die oft bemängelten apodiktischen Wendungen, Braun-Feldwegs Gestus der Wahrhaftigkeit, sind dabei in Kauf zu nehmen:
„Die Äußerungen schaffender Künstler sind immer unbedingt, fast immer angreifbar, herrlich nackt im Verfechten wunderbarer Wahrheiten und kapitaler Irrtümer. Warum sie den Leser soviel stärker anziehen und aufrühren als jede ,objektive Darstellung’, ist leicht zu erklären: er wird mit hineingerissen in den Prozeß der Meinungsbildung und muß selber aktiv werden.“
Der im Herbst 2003 erstmals ausgelobte Wilhelm Braun-Feldweg Förderpreis ist der erste Förderpreis für designkritische Texte im deutschsprachigen Raum.
[April 2004]