Nachbemerkung
Zugegeben: ein Heft über Rossellini machen zu wollen - zumal
einige Jahre nach der letzten Rossellini-Retro im Kino (die ich
übrigens verpaßt habe), scheint mir ein wenig verwegen. Sei's drum.
Fragmentarisch ist Welt und Leben ...
Im übrigen hat mich India
58 jüngst davon überzeugt, daß es gegebenenfalls ratsamer
ist, einen Film von Rossellini zu sehen als darüber zu schreiben,
womit ich freilich keinem Interpreten zu nahe treten möchte. „Man
muß geübt sein, all die Botschaften zu entdecken, die in einem
einzigen Bild enthalten sein können“, sagt Rossellini und wer kann
schon von sich behaupten, daß er ausreichend dafür geschult sei.
Dennoch grämt es mich etwas, daß es mir beim besten Willen nicht
gelungen ist, wie damals noch Rudolf Thome, in India, matri bhumi
„eine wunderbare Welt [zu erblicken], in der alles, Menschen, Tiere
und Pflanzen, aber auch die vom Menschen erschaffene Technik, eine
nicht trennbare Einheit bilden“. Der Anblick eines dressierten
Affens am Ende dieses außergewöhnlichen Videos, der auf der Straße
das tut, was ihm sein toter Herr einst beigebracht hat, der also
Kunststücke und Faxen macht und das ihm zugeworfene Geld einsammelt,
ohne letztlich zu wissen, was er damit anfangen soll, stimmte mich
plötzlich so melancholisch, daß sich mir die wunderbare Welt, die
Rossellini zweifellos hatte zeigen wollen, einfach nicht eröffnete.
Wo Thome eine „nicht trennbare Einheit“ zwischen allem Möglichen
ausgebildet fand, da erblickte ich summasummarum eine irgendwie aus
dem Gleichgewicht geratenen Welt. Höchste Zeit also, bei nächster
Gelegenheit auf die Details zu achten!
Ja, bei nächster
Gelegenheit... Das sagt sich so leicht. Gewiß: Roma, città
apérta und Paisà sehen wir von Zeit zu Zeit gern im
Dritten. Der Messias im ZDF kommt immer mal
wieder gut zu Ostern. Zum 50sten Jahrestag der Befreiung, von den
einst so geknebelten Deutschen üppig begangen, konnte man neulich
sogar Deutschland, im Jahre null sehen - via Kabel
und dazu noch zur besten Werbezeit! Was gäbe ich jedoch darum, wenn,
gegebenenfalls auch ohne weiteren Anlaß, Die Machtergreifung
Ludwigs des XIV ein Mal über Sat 1 ausgestrahlt würde,
Anima Nera über RTL, Das Zeitalter des Eisens
über PRO 7... Überhaupt die späten Filme, die im Kino
sowieso nicht laufen, da sie für's Fernsehen produziert wurden.
India, matri bhumi könnte notfalls im Rahmen einer
ARD-Multikulti-Nacht präsentiert werden ... Nun haben
wir schon so viele Sender; ein bißchen Rossellini kann da vermutlich
kaum mehr schaden.
Bernward Reul